Gedenken an Professor Dr. Wolfhart Zimmermann

Am 18. September dieses Jahres verstarb Professor Dr. Wolfhart Zimmermann im Alter von 88 Jahren. Mit ihm verlor die moderne Wissenschaftsgesellschaft ein herausragendes Mitglied – einen Grandseigneur der Quantenfeldtheorie, mit deren Ausformung sein Name untrennbar verbunden ist. Klaren Geistes bis zum letzten Augenblick schied er offenbar in Frieden mit der Welt.

Er wurde am 17. Februar 1928 in Freiburg im Breisgau geboren. Von 1946 bis 1950 studierte er an der dortigen Universität Mathematik und Physik und schloss das Studium bereits im Jahre 1950 mit einer Dissertation in Mathematik ab.Sein Hauptinteresse wandte sich dann der Physik zu. 1952-1957 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am damaligen Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen unter der Leitung von Werner Heisenberg. Nach Aufenthalten an namhaften Instituten (Institute for Advanced Study, Princeton; UCLA in Berkeley; Universtät Hamburg) nahm er 1962 einen Ruf für eine Professur in Physik an der New York University an. Als Gast wirkte er am CERN, der University Chicago sowie am IHES in Bures-sur-Yvette (Frankreich).

Im Jahr 1974 folgte er schließlich einem Ruf als wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und als Direktor am Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik, wo er bis zu seiner Emeritierung 1996 blieb. 1977 ernannte ihn die Technische Universität München zum Honorarprofessor. Seine wissenschaftliche Lebensleistung wurde 1991 mit der Max-Planck-Medaille, der höchsten Auszeichnung der DPG, gewürdigt.

Seinen wissenschaftlichen Ruhm begründete er in Göttingen in Zusammenarbeit mit Harry Lehmann und Kurt Symanzik. Diese “LSZ-Formulierung” der Quantenfeldtheorie vereinte als erste Theorie mathematisch konsistent die mikroskopischen Elemente der Quantenmechanik mit den makroskopischen der speziellen Relativitätstheorie und erwies sich in der Praxis bis heute als äußerst effizientes Werkzeug, um die starke, elektromagnetische und schwache Wechselwirkung zu beschreiben.

Von Feynman stammt eine graphisch-rechnerische Methode, für zugehörige Prozesse in sukzessiven Näherungen Messwerte zu berechnen. Feynman-Diagramme, die Schleifen enthalten, sind aber zunächst einmal mathematisch nicht definiert. Bogoliubov, Parasiuk, Hepp (BPH) hatten eine rekursive Vorschrift ausgearbeitet, die auch solchen Diagrammen endliche Werte zuwies. Wolfhart Zimmermann löste diese Rekursion explizit und konnte damit nicht nur für Streuprozesse Übergangsamplituden bestimmen, sondern auch solche anderer physikalisch wichtiger Operatoren wie etwa des Energie-Impuls-Tensors.

Mit dieser BPHZ-Renormierungsmethode lassen sich auch Feldgleichungen und Symmetrierelationen beweisen und damit die zugrundeliegende Dynamik eines quantenfeldtheoretischen Systems verstehen. Gewissermaßen als Rückseite dieser Medaille erhält man die Operator-Produkt-Entwicklung, die von Kenneth Wilson ersonnen worden war und zu tiefen Einsichten in der Theorie der kondensierten Materie geführt hat. Ein weiteres bemerkenswertes Konzept, das auf Wolfhart Zimmermann zurückgeht, ist das “Prinzip zur Reduktion von Kopplungen”.

Er hat notwendige und hinreichende Bedingungen dafür angegeben, dass a priori unabhängige “sekundäre” Kopplungsparameter einer Theorie als Funktion einer “primären” Kopplung aufgefasst werden können. Damit ist der Begriff der Symmetrie, die ja gerade so etwas nach sich zieht, konstruktiv verallgemeinert. Dies ist natürlich phänomenologisch unmittelbar relevant. So erlaubte das Reduktionsprinzip z.B. in supersymmetrischen Erweiterungen des Standardmodells der starken, elektromagnetischen und schwachen Wechselwirkungen die Higgsmasse vorherzusagen – zwei Jahre bevor das Higgs-Teilchen gefunden wurde.

Das gesamt Œuvre ist natürlich weitaus reichhaltiger als es hier vorgestellt werden kann. Unumgänglich ist aber noch eine Bemerkung zur Person und zur Familie. So präzise wie seine Arbeiten, so integer war Wolfhart Zimmermann als Mensch. Er liebte gutes Essen und Trinken, worin ihn seine Frau als Gastgeberin perfekt unterstützte. Bei allen Ansprüchen, die er an sich und seine Publikationen stellte, war er jedoch völlig unprätentiös und ganz ungewöhnlich großzügig. Dies kam über das Gästeprogramm, das er persönlich betreute, dem Institut und der Arbeitsathmosphäre ungemein zugute.

Er hinterlässt drei erwachsene Töchter und deren Familien. Unser Mitgefühl gilt ihnen, unser Dank dem bedeutenden Wissenschaftler und großen Menschen Wolfhart Zimmermann. Wir vermissen ihn.

Wolfgang Hollik, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik

Erhard Seiler, Max-Planck-Institut für Physik

Klaus Sibold, Institut für Theoretische Physik, Universität Leipzig

Dieser Nachruf wurde im Physik-Journal 12/2016 veröffentlicht.


Nachruf der Max-Planck-Gesellschaft

Die Max-Planck-Gesellschaft trauert um einen angesehenen Physiker, der sich über seine Fachdisziplin hinaus einen ausgezeichneten Ruf erworben hat. Seinem Studium der Physik und Mathematik an den Universitäten in Freiburg und Göttingen folgte ein zweijähriger Aufenthalt als wissenschaftlicher Assistent am damaligen Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik in Göttingen sowie diverse Auslandsaufenthalte in Österreich und den USA.

Am 1. Oktober 1973 nahm Wolfhart Zimmermann den Ruf zum Wissenschaftlichen Mitglied an das ehemalige Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik in München an. Nach der Verselbständigung des Teilinstituts wurde er 1991 Mitglied des Direktoriums und Direktor am Max-Planck-Institut für Physik (Werner-Heisenberg-Institut). Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1996 leitete Wolfhart Zimmermann mit großem Engagement seine Abteilung „Quantenfeldtheorie und Elementarteilchenphysik“.

Konsequent und mit der ihm eigenen Kreativität erschloss Wolfhart Zimmermann immer wieder wissenschaftliches Neuland im Bereich der Physik der kleinsten Teilchen der Materie und ihrer Wechselwirkungen. Welch hohen Stellenwert seine Forschungsarbeit einnahm, zeigt die Tatsache, dass seine hervorragenden Arbeiten zur Quantenfeldtheorie, insbesondere zur Renormierungstheorie, sowie seine Veröffentlichung „Zur Formulierung quantisierter Feldtheorien“ Eingang in die Lehrbücher fanden. Unser Dank gilt seinem Engagement und seinem Wirken für die Belange des Instituts.

Die Max-Planck-Gesellschaft nimmt Abschied von Wolfhart Zimmermann und gedenkt seiner in Dankbarkeit.

Martin Stratmann
Präsident der Max-Planck-Gesellschaft
zur Förderung der Wissenschaften e.V.