Prof. Dr. Johannes Henn und Dr. Babette Döbrich (Fotos: A. Griesch/MPP; privat)

Prof. Dr. Johannes Henn und Dr. Babette Döbrich (Fotos: A. Griesch/MPP; privat)

Millionenförderung für zwei Projekte in der Teilchenphysik

Das Max-Planck-Institut für Physik freut sich über zwei erfolgreiche Anträge beim European Research Council (ERC): 10 Millionen Euro fließen in das Projekt "UNIVERSE+: Positive Geometry in Particle Physics and Cosmology", das von MPP-Direktor Johannes Henn koordiniert wird. Der zweite Grant, an dem die Lise-Meitner-Gruppenleiterin Babette Döbrich beteiligt ist, trägt den Namen DarkQuantum und befasst sich mit einem innovativen Ansatz, Axionen als Kandidaten für Dunkle Materie nachzuweisen.

UNIVERSE+: Verborgene Geometrie der physikalischen Gesetze

Das Projekt UNIVERSE+ steht unter der Leitung von Nima Arkani-Hamed (IAS, Princeton), Daniel Baumann (Universität Amsterdam), Johannes Henn (MPI für Physik) und Bernd Sturmfels (MPI für Mathematik in den Naturwissenschaften, Leipzig). 

"Mit unserem Team wollen wir eine neue mathematische Sprache schaffen", sagt Johannes Henn, der koordinierende Projektleiter. "Das Ziel ist es, physikalische Phänomene auf allen Skalen zu beschreiben, von den Wechselwirkungen der Elementarteilchen bis zur großräumigen Struktur des Universums.“

Die Raumzeit und die Quantenmechanik bilden das Herzstück der Physik und haben zu einem spektakulär erfolgreichen Verständnis der Naturgesetze geführt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Säulen der fundamentalen Physik nur ungefähre Richtwerte sind, die sich letztendlich aus grundlegenderen Konzepten ableiten lassen müssen. Am dramatischsten zeigt sich dies an der Singularität des Urknalls, die das gängige Konzept der Raumzeit zum Kippen bringt.

Kürzlich wurden in den Datensätzen, die die Streuung von Elementarteilchen und die korrelierten Positionen kosmologischer Strukturen am Himmel beschreiben, neuartige geometrische Formen, so genannte "positive Geometrien", entdeckt. "Wir glauben, dass diese positiven Geometrien den Tiger beim Schwanz gepackt haben", sagt Nima Arkani-Hamed, "sie geben uns die ersten konkreten Beispiele dafür, wie die Prinzipien der Raumzeit und der Quantenmechanik aus grundlegenderen mathematischen Prinzipien entstehen können."

Bislang wurden diese positiven Geometrien jedoch nur in vereinfachten spielerischen Modellen der physikalischen Welt gefunden. Ziel der UNIVERSE+-Kollaboration ist es, diese neuen Ideen vollständig zu verstehen und zu entschlüsseln. Zudem gilt es, die Geometrien zu finden, die für die reale Welt relevant sind, was die Schwerkraft und das expandierende Universum einschließt.

Diese Entwicklungen auf dem Gebiet der Physik sind eng mit signifikanten Fortschritten in der Mathematik verbunden. "Positive Geometrien sind an sich faszinierende Objekte, unabhängig von den physikalischen Gegebenheiten, in denen sie entdeckt wurden", sagt Bernd Sturmfels. "Ich glaube, dass die positive Geometrie eine sehr vielversprechende Zukunft hat, mit großem Potenzial, ein lebendiges neues Gebiet an der Schnittstelle von Physik und Mathematik zu werden. Um dies zu erreichen, bedarf es in den kommenden Jahren eines gemeinsamen und koordinierten Engagements von Physikern und Mathematikern, was nun durch den ERC Synergy Grant für die UNIVERSE+ Kooperation einen deutlichen Schub erhalten hat."

Das Projekt UNIVERSE+ wird von Nima Arkani-Hamed (IAS Institute for Advanced Studies, Princeton), Daniel Baumann (Universität Amsterdam), Johannes Henn (Max-Planck-Institut für Physik, München) und Bernd Sturmfels (Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften, Leipzig) geleitet. Die Projektleiter vereint komplementäres Fachwissen auf den Gebieten der Teilchenphysik, Kosmologie und Mathematik. Dies ist die erste Kooperation dieser Art, verwirklicht die durch die Zusammenführung entscheidender Erkenntnisse sowohl in der Mathematik als auch der Physik.

Das Forscherteam möchte junge, talentierte Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Bereichen für ein facettenreiches Forschungsprogramm gewinnen. Dieses hat das Potenzial, ein breites Spektrum von Themen in der Teilchenphysik, der Kosmologie und der fachübergreifenden Mathematik zu prägen. In Kürze werden Stellen für Forscherinnen und Forscher ausgeschrieben, die das Team verstärken sollen.

DarkQuantum: Quantensensoren für die Suche nach Dunkler Materie

Dieses mit fast 13 Millionen Euro geförderte Projekt wird von der Universität Zaragoza geführt (leitender Koordinator Igor García Irastorza), weitere Hauptpartner sind das CNRS in Frankreich, die finnische Einrichtung Aalto Korkeakoulusäätiö SR und das Karlsruhe Institut für Technologie (KIT). Das MPP ist einer von vier weiteren Partnern, wobei der Gruppe von Babette Döbrich eine Fördersumme von mehreren 100.000 Euro zukommt.

Ziel von DarkQuantum ist es, neuartige Quantensensoren zu entwickeln, mit denen sich bisher rein hypothetische Axion-Teilchen nachweisen lassen. Diese Sensoren basieren auf neuesten technologischen Fortschritten – vergleichbar mit denen, die zur Entwicklung von Qubits für Quantencomputer geführt haben. Diese Technologien ermöglichen den Bau von Systemen, die hochempfindlich auf winzige elektromagnetische Strahlung reagieren. Anders als bei herkömmlichen Sensoren entsteht dabei ein nur geringes Hintergrundrauschen, das die eigentlichen Signale überdecken könnte. DarkQuantum setzt auf diesen innovativen Ansatz, um die Existenz von Axionen zu klären.

Die neu entwickelten Sensoren sollen in zwei Experimenten zum Einsatz kommen: Eines davon wird im unterirdischen Labor von Canfranc installiert. Das zweite Experiment ist der BabyIAXO-Detektor, an dem auch die Gruppe von Babette Döbrich beteiligt ist. Dieses Projekt wird derzeit als Teil des internationalen Axion-Observatoriums (IAXO) am DESY in Hamburg realisiert. „Wenn die Axion-Hypothese zur Dunklen Materie stimmt, hat DarkQuantum eine echte Chance, diese Teilchen zu entdecken“, sagt Babette Döbrich. „Der Nachweis des Axions hätte einschneidende Auswirkungen auf die Teilchenphysik, die Kosmologie und die Astrophysik.“

Über die ERC Synergy Grants

Mit den ERC Synergy Grants werden Verbundprojekte finanziert, die aufgrund ihrer Komplexität von mehreren Wissenschaftlern und deren Gruppen durchgeführt werden, um Durchbrüche zu erzielen, die in Einzelprojekten nicht möglich wären. Zu diesem Zweck vergibt der ERC Zuschüsse in der Größenordnung von 10 Millionen Euro für einen Zeitraum von sechs Jahren.