Innovative Berechnungsmethoden in der Teilchenphysik

Seit der Entdeckung des Higgs-Bosons am Large Hadron Collider (LHC) am CERN ist das Standardmodell der Teilchenphysik eine komplette, in sich abgeschlossene Theorie. In den letzten Jahrzehnten haben Kollisionsexperimente diese Theorie im Detail überprüft und immer wieder bestätigt: Alle Vorhersagen, die im Standardmodell getroffen wurden, haben sich erfüllt; bisher gibt es keine eindeutigen Hinweise für Abweichungen von dieser Theorie.

Kann sich die Teilchenphysik mit diesem Ergebnis zufriedengeben? Die Antwort: nein. Denn das Universum konfrontiert uns mit Fragestellungen, die sich nicht allein mit den im Standardmodell beschriebenen Teilchen und Wechselwirkungen erklären lassen. Ein Beispiel ist die Existenz von Dunkler Materie: Wir können beobachten, dass Dunkle Materie existiert, wissen aber nicht, woraus sie besteht. Auch das Neutrino, ein Elementarteilchen des Standardmodells, steckt voller Rätsel. Eines davon ist, wie schwer Neutrinos sind – und warum sie überhaupt Masse besitzen.

Außerdem will die Teilchenphysik auch einige theoretische Probleme in den Griff bekommen: Zum Beispiel die Frage, welcher Mechanismus den Massewert des Higgs-Bosons stabilisiert oder warum die starke Wechselwirkung — anders als die schwache — keine CP-Verletzung aufweist. Darüber hinaus suchen Wissenschaftler nach Wegen, die Gravitation mit der quantenphysikalischen Beschreibung des Universums in Einklang zu bringen.

Diese und andere grundlegende Fragen verweisen auf eine neue Physik jenseits des Standardmodells. In Beschleunigerexperimenten wie dem LHC oder Belle II versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Belege für diese neue Physik zu finden. Dabei könnten bisher unbekannte Teilchen oder Kräfte direkt auftreten und nachgewiesen werden — oder auch indirekt über die Häufigkeit bestimmter Ereignisse: Wenn bei Kollisionen statistisch gesehen weniger oder mehr der erwarteten Teilchen produziert werden, ist das ein starkes Indiz für Physik, die sich außerhalb des Standardmodells abspielt.

Ausreißer vom Standardmodell lassen sich allerdings nur feststellen, wenn es genaue theoretische Berechnungen im Standardmodell gibt: Diese liefern gut begründete Vorhersagen über die zu erwartenden Ergebnisse. In der Abteilung „Innovative Berechnungsmethoden in der Teilchenphysik“ am Max-Planck-Institut für Physik beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit mathematischen Berechnungen von Kollisionsereignissen am LHC und künftigen Teilchenbeschleunigern: So können Physiker Aussagen über den Energiebereich treffen, in dem sich hypothetische Teilchen aufhalten müssten.

Einige spezifische Themenbereiche der Abteilung

  • Physik der Jets in Kollisionsereignissen
  • Higgs-Physik, Produktion von Bosonenpaaren, Vektor-Boson-Fusionsprozesse
  • Verteilungsfunktionen für Photonen und Leptonen im Proton
  • Berechnungen, die logarithmisch verbesserte Terme für alle Ordnungen in störungstheoretischen Vorhersagen enthalten
  • Quantenchromodynamische (QCD) Rechnungen in höheren Ordnungen der Störungstheorie (NLO, NNLO)

Weitere Informationen zur Gruppe "Innovative Berechnungsmethoden in der Teilchenphysik"

Aktuelle Meldungen

03.08.2021

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24.09.2018

Die theoretische Physikerin Giulia Zanderighi kommt als neue Direktorin ans Max-Planck-Institut für Physik (MPP). Die 43-jährige Wissenschaftlerin war zuletzt Professorin an der University of Oxford und forschte in der theoretischen Abteilung am CERN. Ihr Fachgebiet ist die mathematische…

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03.08.2016

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20.04.2016

Wo liegen die wichtigsten Themen und Trends in der theoretischen Physik? Dieser Frage gehen international renommierte Experten beim Symposium "New Developments in Theoretical Particle Physics" nach. Die Veranstaltung findet vom 18. bis 20. Mai 2016 am Max-Planck-Institut für Physik statt.

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Gruppenmitglieder

E-Mail-Adresse: E-Mail@mpp.mpg.de
Telefonnummer: +49 89 32354-Durchwahl
Name Funktion E-Mail Durchwahl Büro
Gauld, Rhorry, Dr. Senior Scientist rgauld 574 301
Hahn, Thomas, Dr. IT hahn 208 133
Haisch, Ulrich, Dr. Senior Scientist haisch 413 304
Niggetiedt, Marco, Dr. Postdoc mnigge 238 305
Pelliccioli, Giovanni, Dr. Postdoc gpellicc 407 341
Ratti, Alessandro PhD Student ratti 406 342
Sankar, Aparna, Dr. Postdoc aparna 407 341
Schulte, Stefan PhD Student sschulte 318 343
Scott, Darren, Dr. Postdoc dscott 245 305
Sturm, Annette Secretary asturm 482 307
Wang, Chenyu, Dr. Postdoc cywang 574 301
Wiesemann, Marius, Dr. Senior Scientist wieseman 230 322
Zanderighi, Giulia, Dr. Director zanderi 553 316
Zanoli, Silvia PhD Student zanoli 407 341

Schlüsselpublikationen

Fully Differential Vector-Boson-Fusion Higgs Production at Next-to-Next-to-Leading Order; Matteo Cacciari (Diderot U., Paris & Paris, LPTHE & CERN), Frédéric A. Dreyer (Paris, LPTHE & CERN), Alexander Karlberg (Oxford U., Theor. Phys.), Gavin P. Salam (CERN), Giulia Zanderighi (CERN & Oxford U., Theor. Phys.); Phys. Rev. Lett. 120, 139901 (2018)

How bright is the proton? A precise determination of the photon parton distribution function; Aneesh Manohar (CERN & UC, San Diego), Paolo Nason (INFN, Milan Bicocca), Gavin P. Salam (CERN), Giulia Zanderighi (CERN & Oxford U., Theor. Phys.); Jul 14, 2016. 6 pp., Phys.Rev.Lett. 117 (2016) no.24, 242002 


NNLOPS simulation of Higgs boson production; Keith Hamilton (University Coll. London & CERN), Paolo Nason (INFN, Milan Bicocca), Emanuele Re, Giulia Zanderighi (Oxford U., Theor. Phys.). Aug 30, 2013. 25 pp.; JHEP 1310 (2013); 222 MCNET-13-11, CERN-PH-TH-2013-205, OUTP-13-18P

Higgs and Z-boson production with a jet veto; Andrea Banfi (Freiburg U.), Pier Francesco Monni (Zurich U.), Gavin P. Salam (CERN & Princeton U. & Paris, LPTHE), Giulia Zanderighi (Oxford U., Theor. Phys.). Jun 2012. 14 pp.; Phys.Rev.Lett. 109 (2012) 202001 


One-loop calculations in quantum field theory: from Feynman diagrams to unitarity cuts; R. Keith Ellis (Fermilab), Zoltan Kunszt (Zurich, ETH), Kirill Melnikov (Johns Hopkins U.), Giulia Zanderighi (Oxford U., Theor. Phys.). May 2011. 157 pp.; Phys.Rept. 518 (2012) 141-250