Dr. Gerhard Lutz

Dr. Gerhard Lutz

Im Gedenken an Gerhard Lutz

Das Max-Planck-Institut für Physik trauert um Dr. Gerhard Lutz. Der Physiker und langjährige Leiter des Halbleiterlabors der Max-Planck-Institute für Physik und extraterrestrische Physik (HLL) ist im Alter von 77 Jahren verstorben. Von 1972 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2004 war Gerhard Lutz Physiker am MPI für Physik.

Gerhard Lutz war ein Vordenker und Pionier in vielen Bereichen der Hochenergiephysik. Er gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter für die Entwicklung von Halbleiterdetektoren: Es waren seine Ideen, seine Kreativität und sein Engagement, die den Grundstein für moderne Technologien legten, die heute in allen großen Experimenten der Physik selbstverständlich sind – zum Beispiel Streifenzähler, Silizium-Driftdetektoren oder Pixeldetektoren.

Ende der 1970er Jahre entwickelte Gerhard Lutz zusammen mit Josef Kemmer und Robert Klanner die ersten Silizium-Streifenzähler (NA11/NA32), die in der Teilchenphysik zum Einsatz kamen. Diese Instrumente waren ein technologischer Durchbruch; ohne sie wären viele bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse nicht denkbar gewesen.

In späteren Jahren war er maßgeblich an der Entwicklung des ALEPH-Vertexdetektors beteiligt. Dieses Instrument war in der damaligen Zeit eine Sensation: zum einen wegen der doppelseitigen Streifendetektoren, zum anderen wegen der CMOS-Auslesechips (CAMEX64), die hier erstmals Anwendung fanden. Zugleich waren diese Arbeiten der Ausgangspunkt für weitere innovative Entwicklungsschritte, aus denen die heute noch verwendeten Pixel- und Streifendetektoren im ATLAS-Experiment am LHC resultierten.

Eine weitere Technologie, zu der Gerhard Lutz als Miterfinder wesentliche Beiträge leistete, ist der DEPFET, ein Sensor mit integriertem Signalverstärker. DEPFET wird im innersten Detektor des künftigen Belle II-Experiments am KEK in Japan eingesetzt. Der Sensor ist die Schlüsselkomponente für die hochpräzisen Messungen am Kollisionspunkt – entscheidend für die Aussagekraft der beobachten Teilchenzerfälle.

Die von Gerhard Lutz vorgeschlagenen und entwickelten Detektorkonzepte zeichneten sich durch einen hohen Innovationsgrad aus, seine Lösungen waren ausgesprochen elegant und bestehenden state-of-the-art-Technologien weit voraus. Gerhard Lutz zählt zu den Gründungsvätern und Gestaltern des HLL, das an vielen wissenschaftlichen Erfolgen in der Teilchen- und der Astrophysik wesentlich beteiligt war.

Sein Buch Semiconductor Radiation Detectors zählt zu den Standardwerken der Detektorliteratur. Im Jahre 2011 wurde Gerhard Lutz mit dem TNPSS Radiation Instrumentation Outstanding Achievement Award der IEEE geehrt. Bedauerlicherweise erst nach seinem Tod erreichte uns die Nachricht, dass er dieses Jahr mit dem High Energy and Particle Physics Prize der European Physical Society ausgezeichnet wird.

Wir werden nicht nur den Physiker Gerhard Lutz, seine Ideen, seinen Rat und seine besonnene Art vermissen. Wir verlieren einen humorvollen und warmherzigen Menschen, der wegen seiner Charaktereigenschaften vielen jungen Menschen ein Vorbild war.

 

Prof. Dr. Siegfried Bethke, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik und geschäftsführender Direktor des Halbleiterlabors der Max-Planck Gesellschaft

Prof. Dr. Allen Caldwell, geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Physik

Dr. Jelena Ninkovic, Leiterin des Halbleiterlabors der Max-Planck Gesellschaft