NA62: Suche nach einem seltenen Zerfall und exotischen Teilchen

Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt, wie die Materie des Universums im subatomaren Regime aufgebaut ist und welche Kräfte zwischen den Elementarteilchen wirken. Das Standardmodell ist jedoch nicht „fertig“, im Sinne von abgeschlossen – im Gegenteil: Es wird ständig präzisiert und verfeinert. Experimente liefern immer genauere Messergebnisse, mit denen sich theoretische Vorhersagen überprüfen lassen.

Eines dieser Experimente ist NA62. Dabei werden Protonenstrahlen aus dem SPS-Beschleuniger am CERN auf einen Beryllium-Stab gefeuert. Damit untersuchen Wissenschaftler*innen den sehr seltenen Zerfall des K-Mesons (kurz Kaon), einem Teilchen, das aus zwei Quarks besteht. Beim Zerfall kann sich das Kaon in zwei Neutrinos und ein Pion umwandeln, eine andere, leichtere Mesonenart. Nach theoretischen Vorhersagen zerfällt nur etwa eines von 10 Milliarden Kaonen auf diese Weise. Die Vorhersage der Theorie für diesen Zerfall ist sehr genau, so dass sich im Experiment selbst kleinste Abweichungen eindeutig zeigen würden. Das wiederum wäre ein Hinweis auf „neue Physik“ jenseits des Standardmodells.

Das Beam-dump-Projekt

Neben dem Zerfall von K-Mesonen lässt sich das NA62-Experiment für weitere Fragestellungen nutzen, die sich nicht mit dem Standardmodell erklären lassen, zum Beispiel woraus Dunkle Materie besteht. Die Gruppe am MPP ist an einem Projekt beteiligt, das den SPS-Protonenstrahl nutzt, um nach neuen, exotischen Teilchen zu suchen. Beim NA62-Experiment landen die meisten Protonen als “Teilchenschrott” im so genannten Beam Dump.

Diese Protonen sind allerdings wertvolles Ausgangsmaterial für Teilchenzerfälle. Dabei könnten auch bisher unbekannte, langlebige Teilchen entstehen, die sehr schwach mit Materie wechselwirken – und damit eine Eigenschaft besitzen, die typisch für Dunkle Materie ist. Diesen Teilchen würde es gelingen, eine drei Meter dicke Wand am Anfang des Experiments zu durchkreuzen. Ihre Spuren könnten sich dann im 130 Meter langen Detektorbereich von NA62 messen lassen.

Der Fokus unserer Gruppe liegt auf den theoretischen Vorhersagen, Computermodellen und an den Messungen. Das NA62-Experiment hat etwa 200 aktive Teilnehmende aus 14 Nationen. Die ersten Messdaten wurden 2015 erhoben, die aktuellen Messungen laufen noch bis 2025. Nach dem Umbau der CERN-Beschleuniger-Anlagen ist dann der Weiterbetrieb mit dem Nachfolgeexperiment HIKE (High Intensity Kaon Experiments) geplant.

NA62 am MPP

Dr. Babette Döbrich (Foto: privat)

Dr. Babette Döbrich (Foto: privat)

Suche nach Dunkler Materie: Babette Döbrich leitet neues Forschungsteam am MPP

Das Max-Planck-Institut für Physik (MPP) begrüßt Babette Döbrich, die seit dem 1. November am Institut forscht. Sie hat sich im anspruchsvollen Bewerbungsverfahren des Lise-Meitner-Exzellenzprogramms durchgesetzt und leitet ab sofort eine experimentelle Arbeitsgruppe am MPP, die sich mit der Suche nach leichten Dunkle-Materie-Kandidaten befasst. Die Wissenschaftlerin ist am Forschungsprojekt NA62 (CERN) und an der Planung eines neuen Axion-Experiments am DESY beteiligt.

Woraus besteht Dunkle Materie? Noch ist dieses Rätsel nicht gelöst, obwohl zahlreiche Experimente nach Dunkle-Materie-Teilchen fahnden. Babette Döbrich beschäftigt sich mit ultraleichten Kandidaten für diese unsichtbare Materieform, die in verschiedenen theoretischen Modellen postuliert werden.

Im Mittelpunkt: das Axion

Mit ihrer Arbeitsgruppe am MPP arbeitet die Wissenschaftlerin am Aufbau eines neuen Experiments, das derzeit am DESY eingerichtet wird. BabyIAXO sucht gezielt nach Axionen, die in der Sonne entstehen und permanent auf uns herabregnen müssten. Außerdem ist das Projekt Vorstufe und Test für ein noch größeres Axion-Experiment namens IAXO. Das Projekt bildet eine interessante Ergänzung zu MADMAX, ein vom MPP initiiertes Axion-Experiment, das ebenfalls ans DESY kommt.

Zudem forscht Babette Döbrich nach sehr seltenen Zerfällen von K-Mesonen – Paare aus einem Quark und einem Antiquark. Dabei könnten Axion-ähnliche Teilchen und dunkle Photonen (Lichtteilchen) entstehen, die sich ebenfalls als Dunkle Materie-Kandidaten qualifizieren. Das NA62-Experiment analysiert dafür auch Daten aus den so genannten beam-dumps, also den Teilchen-„Müllkippen“ des SPS-Beschleuniger-Rings am CERN.

Das Lise-Meitner-Programm: wissenschaftliche Entfaltung, berufliche Sicherheit

Babette Döbrich studierte Physik in Heidelberg. Für ihre Promotion wechselte die Forscherin an das Institut für theoretische Physik in Jena. Danach hatte war sie mehrere Jahre als Forscherin am NA 62-Experiment am CERN und am ALPS-II-Experiment am DESY.

Ihre Position als Gruppenleiterin am MPP erhielt Babette Döbrich über das Lise-Meitner-Exzellenzprogramm der Max-Planck-Gesellschaft, das jungen Wissenschaftlerinnen langfristige Karriereperspektiven bietet. Benannt ist es nach der kongenialen Forschungspartnerin des Chemikers Otto Hahn. Seit dem Beginn dieser Maßnahme im Jahr 2018 haben sich 700 Wissenschaftlerinnen beworben. Babette Döbrich ist eine von 30 Kandidatinnen, die einen Ruf an ein Max-Planck-Institut erhielten.

„Ich freue mich sehr, meine Projekte in einer neuen Umgebung weiterzuentwickeln“, sagt Babette Döbrich. „Mit seinem Umzug an den Campus Garching im Jahr 2023 siedelt sich das MPP an einem Hot-spot der modernen Physik mit einer ungeheuren Vielfalt und Breite an – ein äußerst lebendiges und inspirierendes Forschungsumfeld."

E-Mail-Adresse: E-Mail@mpp.mpg.de
Telefonnummer: +49 89 32354-Durchwahl
Name E-Mail Durchwahl
Ayyagari, Sri Vrushank ayyagari 583
Döbrich, Babette, Dr. dobrich 205
Jerhot, Jan, Dr. jerhot 546
Lezki, Samet, Dr. lezki 583
Schubert, Jonathan jschuber 546

Measurement of the very rare K++→π+νν‾π+νν decay
NA62 Collaboration (Eduardo Cortina Gil)
JHEP 06 (2021) 093
DOI: 10.1007/JHEP06(2021)093

New Physics Searches at Kaon and Hyperon Factories
Evgueni Goudzovski, Diego Redigolo, Kohsaku Tobioka, Jure Zupan, Gonzalo Alonso-Álvarez
Rept.Prog.Phys. (2022)
DOI: 10.1088/1361-6633/ac9cee

ALPtraum: ALP production in proton beam dump experiments
Babette Döbrich, Joerg Jaeckel,  Felix Kahlhoefer, Andreas Ringwald, Kai Schmidt-Hoberg, DESY
JHEP 02 (2016) 018, JHEP 02 (2016) 018
https://inspirehep.net/literature/1409104 

The Beam and detector of the NA62 experiment at CERN
NA62 Collaboration (Eduardo Cortina)
JINST 12 (2017) 05, P05025
DOI: 10.1088/1748-0221/12/05/P05025