Direktor Professor Dr. Johannes Henn im Interview

Wofür ist Ihre Forschung wichtig? Worin besteht der Zusammenhang zwischen Ihren Arbeiten und der experimentellen Teilchenphysik?

Meine Forschung findet an der Schnittstelle zwischen theoretischer und experimenteller Physik statt. Theoretische Physiker erforschen mathematische Modelle für Elementarteilchen und deren Wechselwirkungen. Eine erfolgreiche Theorie muss mit allen bisherigen experimentellen Erkenntnissen im Einklang sein und kann in neuen Experimenten getestet werden. Es ist faszinierend, dass die Theoretiker manchmal neue Teilchen vorhersagen, um eine Theorie mathematisch stimmig darstellen zu können. Beispiele dafür sind das Top Quark oder das Higgs Boson, die lange vor ihrem eigentlichen Nachweis schon „auf dem Papier“ existierten.

Wenn ein Modell in sich konsistent ist und weithin Akzeptanz findet, wird es im Experiment überprüft. Die Ergebnisse fließen dann wieder in theoretische Überlegungen ein. In meinem konkreten Fall bedeutet das: Ich beschäftige mich mit Teilchenkollisionen – also, was passiert, wenn Elementarteilchen in einem Beschleuniger wie dem LHC aufeinandertreffen, welche Teilchen entstehen und wie diese sich nach der Kollision verhalten.

 

Sie haben sich nicht nur als Forscher einen Namen gemacht, sondern sich auch in der Lehre engagiert, zum Beispiel als Co-Autor des Lehrbuchs „Scattering Amplitudes in Gauge Theories“. Was dürfen die Doktoranden der IMPRS EPP Ihnen erwarten?

Mir macht es Spaß, Physik mit Studenten und Doktoranden zu diskutieren. Daher gebe ich regelmäßig Vorlesungen auf internationalen Doktorandenschulen. Für die Doktorandinnen und Doktoranden der IMPRS kommt durch unsere Forschungsgruppe viel Kompetenz hinzu, von der sie profitieren können.

Ich plane außerdem internationale Forscher für Sabbaticals in die Arbeitsgruppe einzuladen, mit denen sich die jungen Wissenschaftler austauschen können: zum Beispiel in informellen Arbeitsgruppenseminaren oder Journal-Clubs, bei denen aktuelle Publikationen zusammen diskutiert werden. Diese Diskussionskultur ist unerlässlich für die wissenschaftliche Entwicklung von Doktoranden.

 

Ab Oktober 2018 sind Sie Direktor am MPI für Physik, aber bereits jetzt zeitweise am Institut. Warum?

Ich sehe meine „Teilzeit“ am Institut als sinnvolle Phase der Vorbereitung. Sie gibt mir die Möglichkeit, das neue Institut und seine Verwaltung peu à peu kennenzulernen und mit meinen künftigen Kollegen in Kontakt zu kommen. Für den Herbst stehen viele Neueinstellungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Argentinien, Indien und Russland, und den USA an. Mir ist wichtig, dass sich die neuen Kollegen sofort in München wohlfühlen und ihre Forschungsarbeit direkt fortsetzen können. Gerade bei ausländischen Forschern ist hierfür die effektive Unterstützung der Verwaltung wichtig, die beispielsweise bei Visa-Anträgen oder bei der Wohnungssuche unterstützt, und über am Institut angebotene Deutschkurse informiert.

 

Sie haben mehrere Jahre am IAS in Princeton geforscht: Was hat Sie besonders an dieser Einrichtung fasziniert?

Das Institute for Advanced Study hatte einen entscheidenden Einfluss auf meine wissenschaftliche und persönliche Entwicklung. Es war für mich ein Privileg, mich täglich mit den weltbesten Forschern in meinem Forschungsgebiet zu unterhalten, und viele neue Kontakte zu knüpfen.

Das Institut wurde in einer Zeit gegründet, in der viele Forscher, insbesondere aus Europa, einen sicheren Rückzugsort benötigten. Das prominenteste Beispiel ist vermutlich Albert Einstein, der dort 22 Jahre verbrachte. Ich denke, dass sich dieser Geist auch auf die Wissenschaft übertragen hat und insofern ein Ort ist, an dem neue, vielleicht auch spekulative Ideen entwickelt werden können. Insgesamt ist die Offenheit für neue Ideen ein Aspekt der Wissenschaft in den USA, der mich geprägt hat.

 

Worauf freuen Sie sich in München?

Auf sehr vieles! Zum Beispiel freue ich mich darauf, die Alpen wieder vor der Haustür zu haben. An den Wochenenden wird man mich sicherlich auf der einen oder anderen Berghütte antreffen können.